Die Stinnes-Güter in der OberlausitzDie Stinnes-Güter in der Oberlausitz

Hugo Stinnes (1870-1924) war wohl einer der außergewöhnlichsten Unternehmerpersönlichkeiten seiner Zeit. Sein Name ist den Menschen im Ruhrgebiet auch heute noch ein Begriff. Was mit Rheinschifffahrt, Kohle und Stahl begann, wuchs schließlich zu einem Unternehmens-Imperium von geradezu gigantischen Ausmaßen an, welches 1923 1664 selbstständige Unternehmen, 2890 Betriebsanlagen und unselbstständige Teilbetriebe umfasste, mithin 4554 Betriebe mit Zehntausenden Beschäftigten

Gingen infolge des Ersten Weltkrieges Besitzungen verloren, hielt ihn das nicht davon ab, weiter zu expandieren. Stinnes agierte weltweit. Er gebot über Banken, Ziegeleien, Buch- und Zeitungsdruckereien, Mineralöl-Raffinerien, Glasfabriken. Stinnes besaß Maschinenfabriken und Kraftwerke. In seinen Unternehmen wurden Fahrräder, Schreibmaschinen, Autos und Lokomotiven gebaut.

In der Weimarer Republik zählte Stinnes zu den einflussreichsten Persönlichkeiten. Als Mitglied des Reichstages war er bestrebt, neben seiner wirtschaftlichen seine politische Autorität auszubauen. Unumstritten war er nicht. Kriegsgewinnler, Erz-Kapitalist, König der Inflation nannten ihn seine Gegner. Dennoch: Hugo Stinnes war eine faszinierende Persönlichkeit. Der 2007 verstorbene amerikanische Historiker Gerald D. Feldman hat Leben und Wirken dieses Ausnahme-Unternehmers in einer eindrücklichen Biographie beschrieben. Nach Stinnes' Tod gelang es der Witwe und den Söhnen nicht, das Unternehmens-Imperium in Gesamtheit zu erhalten.

Stinnes war auch in der Oberlausitz präsent. Er hielt Beteiligungen an der Waggon- und Maschinenbau A.-G., Görlitz, sowie am Eisenhüttenwerk Keula, Muskau, darüber hinaus am Braunkohlenbergwerk Erika im Kreis Hoyerswerda und an der Braunkohlengewerkschaft Muskau.
1917 erwarb er die Güter Klein Krauscha, Zimpel und Jahmen. 1918 kamen die Güter Bernsdorf, Biehain, Kaltwasser und Weißkollm hinzu. Was wollte der „Kaufmann aus Mülheim“, wie er sich selbst bescheiden nannte, ausgerechnet mit landwirtschaftlichen Gutsbetrieben in der Oberlausitz? Dienten sie ihm lediglich als Wertanlage oder verfolgte er besondere Ziele? Hatte er es auf Bodenschätze abgesehen, die in der Erde verborgen waren? Welche Stellung hatten die Güter innerhalb der Konzernstruktur? Waren die Güterdirektoren frei in ihren unternehmerischen Entscheidungen? Welche Bedeutung hatten die Stinnes-Güter für unsere Region? Und: was ist aus ihnen geworden?

Diese Fragen sollen beantwortet werden. Das walte Hugo!
Erste Recherchen erfolgten mit der Einwilligung der Familie Stinnes in deren Familien- und Unternehmensarchiv, welches von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, verwaltet wird. Das Projekt wird vom Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund wissenschaftlich begleitet. Damit wird ein bisher verschlossenes Kapitel in der Wirtschaftsgeschichte unserer Region aufgeschlagen.